Berlin, 8. Juli 2022: Unsere Mobilität verändert sich und neue Lösungen entstehen. Doch wie erreicht man, dass diese Lösungen im Sinne aller Anwenderinnen und Anwender untereinander kompatibel sind und wie können künftige Entwicklungen antizipiert und verfügbare Ressourcen unter Beachtung geltender und künftiger Rahmenbedingungen sinnvoll eingesetzt werden? Im Rahmen der Digitalforums Mobilität von UVB und eMO wurde diskutiert, wie die rechtzeitige Integration von Standardisierung im Innovationsprozess zur Beantwortung dieser Fragen beitragen kann. Grundlage der Debatte bildete ein Impuls von Mario Beier, Leiter der Geschäftsstelle Mobilität am Deutschen Institut für Normung (DIN).
Normen machen das Leben einfacher
Wohl ein jeder kam schon einmal – bewusst oder unbewusst – mit dem Thema Normung in Berührung; die wenigsten haben allerdings schon an einem Standardisierungsverfahren mitgearbeitet. Seit über 100 Jahren ist das Deutsche Institut für Normung Dienstleister für Normung und Standardisierung und agiert dabei als gemeinnütziger, von der Privatwirtschaft getragener Verein im Sinne von Wirtschaft und Gesellschaft. Auch wenn man sich nicht täglich bewusst damit auseinandersetzt, so begegnet DIN einem doch in den unterschiedlichsten Bereichen des Alltags. Ohne Normen und Standards geht es nicht – zumindest wäre unser Alltag bzw. einige gewohnte Abläufe ohne diese etwas komplizierter. Ein einfaches Beispiel zur Veranschaulichung: Papier. Wohl am bekanntesten ist das einheitliche DIN-Papierformat, dem wir zu verdanken haben, dass unser Papier in den Drucker oder in einen Briefumschlag passt.
Der Typ-2-Stecker als gutes Beispiel
Noch heute entspricht die Grundaufgabe der von vor über 100 Jahren und lässt sich auf die heutige Zeit und den Mobilitätsbereich übertragen, wo Standardisierungsverfahren eine bedeutende Rolle spielen. Dass Normung funktioniert, belegt der für Europa einheitlich eingeführte Typ 2-Stecker, der allen Elektromobilisten ein Begriff ist. Die Geschäftsstelle Mobilität des Deutschen Instituts für Normung beschäftigt sich seit über 10 Jahrenmit Mobilitätsthemen, insbesondere mit der Elektromobilität. Im Zentrum steht dabei das Thema der Standardisierung und welche Möglichkeiten diese bietet, um die Interessen der nationalen Stakeholder und deren Durchsetzung im europäischen und internationalen Umfeld zu unterstützen. Betrachtet man beispielsweise das Thema der vernetzten Fahrzeuge, so beeinflussen bestehende und noch zu setzende Normen, wie einzelne Komponenten zusammenpassen, sie bestimmen Schnittstellen zwischen Fahrzeug und Infrastruktur und sollen die Kommunikation eines Fahrzeugs mit digitalen Plattformen ermöglichen. Daraus lassen sich Dienstleistungen ableiten, die unser Mobilitätsverhalten beeinflussen und bereichern können. Beim intelligenten Lastmanagement kann Standardisierung helfen, eine Überbelastung der Netze zu vermeiden, indem Infrastruktur so genutzt wird, dass diese nicht überfordert ist.
Standardisierung und der globale Wettbewerb
Wer den Standard setzt, bestimmt die Entwicklung; das haben auch andere Länder erkannt, allen voran China. Dieser strategische Schritt kann einem Land einen erheblichen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Internationale Normen erleichtern den Handel auf globaler Ebene und sind darüber hinaus in Zeiten des fortschreitenden Klimawandels wichtiger denn je, um einheitliche Standards für ein nachhaltiges Wirtschaften – Stichwort Circular Economy – zu schaffen.
Änderungen sind möglich
Die Befürchtung, dass vor allem in dynamischen Innovationsfeldern, eine frühzeitige Normeinführung für einen Technologiesprung hinderlich sein kann, lässt sich entkräften. Bei der Entwicklung einer Norm sind Expertinnen und Experten eingebunden, die Entwicklungen im dynamischen Feld berücksichtigen. Hinzu kommt, dass das Instrument der Normung, verglichen mit der Gesetzgebung, flexibel ist. So werden Normen spätestes nach 5 Jahren einer Prüfung unterzogen und können bei Bedarf angepasst werden. Und sollte eine Norm den beabsichtigen Zweck nicht mehr erfüllen und obsolet werden, kann diese auch zurückgezogen werden. Aktuell erfolgen Überarbeitungen in verschiedenen Bereichen, darunter die Batterieverordnung, um unter anderem Aspekte der zirkulären Wertschöpfung zu integrieren (z.B. Reuse, Repurposing). Eine Meinungsumfrage bei den Debattenteilnehmerinnen und -teilnehmern zeigte, dass diese vor allem bei den Themen Ladeinfrastruktur, Kreislauffähigkeit/Anforderung an Nachhaltigkeit und Abrechnungsmanagement einen besonderen Standardisierungsbedarf sehen.
Normung schafft Transparenz
Zu guter Letzt lässt sich sagen, dass ein Normungsprozess keineswegs hinter geschlossenen Türen erfolgt. Als demokratisch legitimiertes Instrument bietet dieser verschiedene Mitwirkungsmöglichkeiten, welche mit unterschiedlichem Aufwand verbunden sind. So wird bspw. jeder Normentwurf der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt und kann durch jedermann kommentiert werden. Zudem kann in Forschungsprojekten durch die Berücksichtigung von Standardisierung bzw. die Einbindung von DIN die Anschlussfähigkeit der darin erarbeiteten standardisierungsrelevanten Lösungen frühzeitig sichergestellt werden.